„Eltern sollen die Schulbank drücken“ war Mitte Dezember 1969 in der Wilhelmshavener Zeitung zu lesen. „Väter und Mütter und junge Ehepaare, die es werden wollen, Pflegeeltern oder Großeltern, sie alle sollen von der neuen Elternschule des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Wilhelmshaven profitieren. Die ‚Begegnungsstätte der modernen Familie’ nimmt am 19 Januar mit einem Kursus in häuslicher Krankenpflege die Arbeit auf.“ Der ersten Ankündigung vorausgegangen waren lange Vorbereitungen und viele Gespräche. Das Wohnzimmer von Helga Christmann wurde zum Büro, die Anmeldungen wurden im Gemeindehaus der Christus- und Garnisonkirche in der Virchowstraße 27 entgegengenommen, die ersten Kurse fanden in den Räumen des Paritätischen Wohlfahrtverband in der Rheinstraße 112 statt.
Die erste Innovation war bereits der Name. Während anderswo „Mütterschulen“ ins Leben gerufen wurden, hieß die Einrichtung in Wilhelmshaven von Beginn an „Elternschule“. So waren die Väter hier gleich mit im Blick, und in der Verantwortung. Wenige Monate nach Beginn bot die Elternschule Kurse in der Paul-Hug-Straße 60 an, kaum zwei Jahre später wurden im Herbst 1972 Räume in der Kantstraße 9 angemietet. Zu Beginn der „Elternschule“ gab es zwei Außenstellen in den Gemeindehäusern in F’Groden und in Neuengroden, später folgte die Gemeinde in Bant.
Weil der Küster der Friedenskirche sich weigerte, für die Angebote der Elternschule die Räume extra auf- und zuzuschließen, übernahm Elke Klische, damals junge Mutter und Pastorin in Elternzeit kurzerhand den Schlüsseldienst. Ihr war es wichtig, dass es auch in der Friedenskirche Angebote für junge Familien gab. Als die Kirchengemeinde Neuende im Stadtteil Wiesenhof 1975 ein neues Gemeindezentrum baute, wurde gleich ein eigener Raum für die Mini-Clubs der Elternschule mit gebaut. Das gehörte erklärtermaßen zum Konzept der Gemeinde. Nachdem einige in der Gründungsphase der Elternschule zu Beginn kein langes Leben vorausgesagte hatten, entwickelte sie sich allen Unkenrufen zum Trotz kontinuierlich weiter.
Mitte der 90er Jahre stand die Einrichtung, die inzwischen Ev. Familien-Bildungsstätte hieß, vor der Schließung. Öffentliche und kirchliche Gelder brachen weg, dem Kirchenkreis Wilhelmshaven stand das Wasser bis zum Hals. In einem gemeinsamen Kraftakt von Mitarbeiterinnen, Förderverein und Kirchenkreis gelang es schließlich, die Einrichtung zu retten. Das Personal wurde reduziert, ein neuer Förderverein beteiligte sich mit kräftigen Zahlungen, Ende der 90erJahre war die Kuh vom Eis. Seitdem hat sich die Ev. Familien-Bildungsstätte kontinuierlich weiterentwickelt.
Der Umzug in das neue Bildungszentrum im Wiesenhof 2007, der neue Kirchenkreis Friesland-Wilhelmshaven mit einem erweiterten Einzugsbiet und die Übernahme neuer Aufgaben als Jugendhilfeträger sorgen seitdem für ein erweitertes Profil und neue Mitarbeitende. Die ursprünglich als Bildungseinrichtung für Familien gestartete Einrichtung ist inzwischen als Träger an zwei Familienzentren beteiligt, betreibt seit vielen Jahren das Familien- und Kinderservicebüro in Wilhelmshaven, unterhält hier zwei Großtagespflegestellen und übernimmt Aufgaben im Rahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe. Daneben gibt es zahlreiche Angebote der Lernförderung, Hausaufgabenhilfe sowie in Ganztagsbetreuung in Grundschule und Oberschulen in Wilhelmshaven und Friesland. Die beiden Ehrenamtsprojekte „wellcome“ und „Familienlotsen“ unterstützen Familien mit kleinen und größeren Kindern, auch bei den „Frühen Hilfen“ ist die EFB mit den Familienhebammen, dem Babybesuchsdienst und der Kinderschutzhotline beteiligt, um nur einige der vielen Projekte zu nennen. In den letzten Jahren sind zusätzlich verschiedene Förderprojekte für Menschen aus anderen Kulturen dazugekommen.
Eigentlich sollte das 50jährige Bestehen der Einrichtung schon im letzten Jahr kräftig gefeiert werden, dann klappte es auch mit der 50+-Feier in diesem Jahr nicht so, wie geplant. Deshalb wird die Ev. Bildungsstätte in den nächsten Wochen mit verschiedenen Einzelaktionen auf ihr Jubiläum aufmerksam machen. Dazu gehört auch die Aktion „Hoffnungsbäume pflanzen“: Bis zum Herbst sollen in Wilhelmshaven und Friesland bis zu 100 Bäume als sichtbares Zeichen der Ermutigung gepflanzt werden: An Kindertagesstätten und Gemeindehäusern, auf Spielplätzen und auf dem Gelände von Seniorenwohnanlagen, bei Familienzentren, Kooperationspartnern und anderen Jugendhilfeträgern. „Wir wollen so unsere Hoffnungsbotschaft zu den Menschen bringen“, erklärte Bildungsstättenleiter Rüdiger Schaarschmidt. „Ab Mitte September gehen wir sechs Wochen lang mit vielen verschiedenen Aktionen in die Öffentlichkeit und die sozialen Medien und zeigen, wie lebendig und vielfältig die Ev. Familien-Bildungsstätte nach über 50 Jahren ist.“